Klimawandel: Wohnungswirtschaft als Vertreter der Zivilgesellschaft?

Zwischen der Klima-, Energie-, Verkehrs- und Verbraucherpolitik bestehen zunehmend Wechselwirkungen, etwa im Rahmen der „Sektorkopplung“. An den Schnittstellen zwischen diesen Politikfeldern sind Akteure mit einer Vielzahl komplexer Koordinations- und Wissensprobleme konfrontiert. Wünschenswert ist es, die Ziele und Funktionen unterschiedlicher Expertenarrangements zur Bewältigung von Politikfeldinterdependenzen in den Blick nehmen und dabei ihre Potenziale und Grenzen ausloten.

Im Fokus stehen dabei die Beteiligungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteure sowie der Umgang mit Deutungs- und Interessenkonflikten unter den Bedingungen der Sektorkopplung:

Hier haben sich verschiedene, doch noch wenig erfolgsorientierte Formate der Koordination und Wissensproduktion im Nexus von Politikfeldern in den vergangenen Jahren herausgebildet. Unterschiedliche Strategien werden verfolgt, um Schnittstellenproblemen zu begegnen.

Doch welche dieser Formate beteiligen ein möglichst breites Spektrum an Akteursgruppen, und welche setzen eher auf einen ausgewählten Akteurskreis? Wie offen sind sie für unterschiedliche oder sogar widersprüchliche Konzepte, Methoden und Lösungsstrategien? Mit welcher dieser Strategien gelingt es, die politische Aufmerksamkeit auf Schnittstellenprobleme und Herausforderungen der Sektorkopplung zu lenken?

Erst sehr zögerlich wird den Politik-Gestaltern klar, dass die stattgefundene “Politikberatung” mehr auf dem Festhalten am Status Quo denn auf praxisnahe Reallabore mit gesellschaftlich breit aufgestelltem Output fokussiert war. Dies hat zur Folge, dass die Herausforderung der Bündelung zielführender Erkenntnisse nicht bewältigt wurde und zu nicht intendierten Effekten führt:

  • aktive zivilgesellschaftliche Aktionsbündnisse treiben die Politikgestalter vor sich her (Fridays for Future u.a.)
  • passive , unter dem Gestaltungsvakuum leidende Bürger wählen aus Frust zunehmend Propheten von links und rechts mit einzig emotionalen Inhalten ohne Umsetzungs-Chance
  • der Hebel der Einflüsse rückwärtsgewandter Regulatoren lähmt die Zivilgesellschaft
  • als Gegenwirkung von Hemmnissen und bremsenden Sonderfällen werden keine Sonderwirtschafts-Zonen zwecks “Ausprobieren” etabliert (wie überall in Europa üblich)
  • Verbandsinteressen Strom verhindern die Fokussierung auf den viel größeren volkswirtschaftlichen Posten “Wärme”
  • Zivilgesellschaftliche Akteure mit umsetzbaren Praxislösungen zur nachhaltigen Senkung von CO2 auf diesem Gebiet kollidieren mit den von der Politik geschützten Stakeholdern
  • Disruptivität wird verhindert
  • wirtschaftlich gerechte Teilhabe an Planungsverfahren durch die Zivilgesellschaft erfährt keine Unterstützung

Beispiele gibt es zuhauf. Allein die Auflösung des Vermieter-Mieterdilemmas gelänge zügig z.B. durch eine einfache Anpassung im Bereich Gewerberecht. Leider dringt die hier innewohnende zivilgesellschaftliche Gestaltungskraft nicht gestaltend in die entscheidenden Politik-Gremien vor.

Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung untersucht aktuell die Möglichkeiten der Koordination und Vernetzung von Klima-, Umwelt-, Verkehrs-, Energie- und Verbraucherpolitik und stellt fest: Quer durch alle bisherigen CO2-Effizienzprojekte des Bundes spiegelt sich die Verliebtheit der Wissenschaftler, der Stakeholder versus den Optionen für Innovationen aus Sicht der Zivilgesellschaft.

So wird z.B. die Wohnungswirtschaft als zivilgesellschaftlicher Akteur erst sehr, sehr zögerlich ins Boot geholt. Große, versteckte Potenziale des Einbezugs von Mietern in Quartieren werden nicht gehoben. Ein hier optional vorhandener zivilgesellschaftlicher Gestaltungsrahmen würde ohne Zielfokussierung einzelnen disruptiv denkenden Immobilienunternehmen aufgebürdet – ohne Gestaltungsrahmen durch die Politik.

Doch zumindest in ersten Anfängen ist nun auch das Thema “Wärme” als Handlungsfeld bei der Politik angekommen. Hier können in Quartieren neue Effizienz-Senken etabliert werden. Voraussetzung: die zukünftigen Programme der Bundesministerien wollen tatsächlich viel stärker die Zivilgesellschaft einbinden. Regionale Akteure werden dann sehr zügig nachziehen.